Die Ritter des Tempels
Das Geheimnis des Templer
Vergesst Reine le Chateau oder andere Legenden – es gibt nichts Mysteriöses über den Orden der Tempelritter zu erzählen, auch nicht über dessen Schatz. Die wahre Geschichte der mächtigen Ritter spielte sich größtenteils hier im Marais ab.
Am Nordostrand befanden sich Marschlande, welche aus den Resten eines ehemaligen Nebenflusses der Seine, der von den Höhen Bellevilles nach Paris floss, hervorgegangen ist. Die hartgesottenen Tempelritter brauchten fast ein Jahrhundert, um diese Sümpfe (Marais) zum Gemüsegarten der Hauptstadt zu machen in dem sie den Mönchen von Saint-Martin-des-Champs nacheiferten, die ein Jahrhundert zuvor die Sümpfe im Westen des heutigen Arrondissements trockengelegt hatten. Nachdem sie das Land gekauft hatten, zogen sie in dessen nordöstliche Ecke, in die Festungsanlage des Enclos du Temple, welche auch als ihr europäisches Hauptquartier diente. Vergessen wir also Reine-le-Château und andere Legenden, denn wie gesagt hat die Bekanntheit der Tempelritter keine mysteriösen Ursachen. Es waren vielmehr ihre ausgereiften landwirtschaftlichen Methoden sowie ihr ausgezeichneter Sinn fürs Geschäftliche, die es ihnen erlaubten nach und nach das ganze Marais aufzukaufen und sich geographisch zu verbreiten und eine Art internationaler Geschäftsbank aufzubauen, die ihren Reichtum noch zusätzlich mehrte. Dies und ihre Unabhängigkeit wurden hinter den zinnenbewährten Mauern der Tempelfestung behütet, welche sich ungefähr an der Stelle der heutigen rue du Temple, rue de Bretagne, rue Béranger und der rue de Picardie südlich des Place de la République befand. Die Festung verfügte über Wachtürme, einen Graben und eine Zugbrücke, die zum ihrem einzigen Eingang führte an der Ecke rue des Fontaines du Temple und rue du Temple.
Von Neid zerfressen, begann er ihren Untergang zu ersinnen in dem er verräterische Gerüchte und Verleumdungen über sie in den Umlauf brachte. Nach abscheulichen Prozessen, falschen Anschuldigungen, Erniedrigungen, Folter und der Verbrennung von vierundfünfzig Templern auf der Île aux Juifs (am heutigen Place Dauphine gelegen), wurde der französische Zweig des Ordens anno 1313 aufgelöst. Am 12. März des Folgejahres wurde Jacques de Molay, Großmeister des Tempels, zu dem Scheiterhaufen auf der Île aux Juifs gebracht, wo er in Gegenwart des Königs Prophezeiungen über dessen und des Papstes bevorstehender Begegnung mit Gott in die Menge schleuderte. Beide, Philippe der Schöne und Papst Klement V., starben noch im selben Jahr – ob es an den Verwünschungen lag, konnte nie bewiesen werden.
Die Leichtgläubigen und die romantisch Veranlagten werden enttäuscht sein, aber die Mystifizierung des verlorenen Schatzes der Templer hat keine historische Grundlage.
Was die Besitzungen angeht, so wurden sie vom Thron beschlagnahmt und, um zur Ungerechtigkeit noch Erniedrigung zuzufügen, dem konkurrierenden Hospitalorden zugeschlagen, der um christliche Pilger in Jerusalem willkommen zu heißen, anno 1050 ebenfalls im Heiligen Land gegründet worden war. Sie blieben bis zur Französischen Revolution in der Tempelfestung und wurden zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts durch Napoleon aufgelöst.
Zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts erlebte das Marais als Pariser Aristokraten-Viertel eine Blütezeit. Der Palast des Großmeisters des Tempels, der heute an der Ecke rue de Bretagne – rue du Temple stehen würde, war der Hof der unehelichen Söhne der Könige, die, wie zum Beispiel Philippe, der Herzog von Vendôme, Enkel Heinrich V. und seiner Maitresse Gabrielle d’Estrée, dort ein ausschweifendes Leben führten, welches aber auch von künstlerischer und literarischer Brillanz gekennzeichnet war. Der Großmeister zum Beispiel stattete La Fontaine mit einer jährlichen Pension von 600 Francs aus. Nachdem der Hof nach Versailles gezogen ist, wurde der Temple-Palast eine Art Ersatz-Hof an dem sich die trafen, die laut Horace Walpole „nichts vom König zu erwarten hatten“. Ludwig XVI. nannte den Großmeister verächtlich „mein Vetter, den Anwalt“ während Walpole ihn als „ansehnlich, von königlichem Betragen und herzlich“ bezeichnete. Aber ebenfalls als „arrogant, lasterhaft und verschwenderisch“. Man munkelte, er hätte eine Schublade mit 4 000 Ringen, die er als „Abschiedsgeschenk“ angeblich jeder seiner Maitressen abgenommen haben soll. Andere Zungen behaupten allerdings, er hätte selbst einige dazugetan. Seine Favoritin, die Comtesse de Boufflers, das „Idol des Tempels“, war die oberste Regentin dieses glitzernden Hofes, an dem auch der zehnjährige Mozart während seines zweiten Paris-Besuches, empfangen wurde. Das berühmte Gemälde Oliviers, welches ihn vor einem abgelenkt scheinendem Publikum Cembalo spielend im Zeichenzimmer zeigt, legt Zeugnis dieses Besuchs ab.
Am 13. August des Jahres 1792 wurde ein opulentes Mahl in ebendiesem Raum gereicht. Die Gäste waren die Königliche Familie und ihre Wachen, in Wahrheit waren sie aber Gefangene der Pariser Kommune. Der König wurde mit „Monsieur“ angesprochen und jedem wurde während dieses vorgetäuschten Festes mit Höflichkeit begegnet. Sobald das Dinner jedoch zu Ende ging, wurde das königliche Paar, deren zwei Kinder sowie des Königs Schwester, in das Turmverließ des Tempels geschlossen, während die anderen anwesenden Frauen in das Geheimgefängnis von La Force im heutigen Vierten Arrondissement gebracht wurden.
Dies war der Beginn der tragischen Auslöschung der Königlichen Familie. Der König verblieb bis zu seiner Enthauptung am 21. Januar 1793 in diesem Verließ. Von hier fuhr denn auch sein Karren los, der ihn über die Grands Boulevards zur Guillotine auf dem Platz der Revolution, dem heutigen Place de la Concorde oder Platz der Eintracht, brachte. Im darauffolgendem Sommer wurde die Königin in die Conciergerie verlegt. Ihre vierzehnjährige Tochter wurde in einem Handel mit der österreichischen Krone gegen fünf gefangen gehaltene Revolutionäre getauscht. Der siebenjährige Kronprinz wurde von seiner Familie getrennt und vegetierte bis zu seinem vorgeblichen Tode am 8. Juni 1795 in einer dunklen Zelle vor sich hin.
Er wurde auf dem Friedhof Sainte Marguerite im elften Arrondissement beigesetzt. Es hielten sich allerdings immer wacker Gerüchte, dass es die sterblichen Reste eines anderen waren, die dort bestattet sind. Als 1894 das Grab geöffnet wurde, um das Skelett noch einmal zu untersuchen, wurde in der Tat bewiesen, dass die Knochen einem Achtzehnjährigen gehörten. Ein kleines Kreuz steht noch heute an dieser Stelle und es ist auch das Einzige, welches von diesem Friedhof noch übriggeblieben ist. Die Inschrift lautet „L…XVII. 1785 – 1795“. Ein seltsames und sogar den unmittelbaren Nachbarn unbekanntes Andenken an den, der der letzte König des Ancien Régime war.
Napoleon ließ die Tempel-Festung vorsichtshalber abreißen, denn sie war inzwischen zu einem Wallfahrtsort der Royalisten geworden. Die dazugehörige Romanische Kirche und deren Friedhof ereilte alsbald dasselbe Schicksal. Nur des Großmeisters Palast stand noch, als die Prinzessin während der Restauration aus ihrem österreichischen Exil heimkehrte und diesen tragischen Ort aufsuchte, um dort zu beten und eine Trauerweide zu pflanzen. Unter Napoleon wurde der Palast als Religionsministerium genutzt, während der Restauration dann als Kloster und in der Zweiten Republik wurde schließlich eine Kaserne daraus. 1853 unter Napoleon III. wurde der Palast dann abgerissen, da der Baron Haussmann seine Pläne eines Neuen Paris umzusetzen begann.